Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu, das wird wieder genutzt, um auf verschiedene Tatsachen und auch Probleme bezüglich der Schul-Aus-Bildung zu thematisieren. Es wäre verkehrt zu sagen, dass alles negativ und schlecht sei, trotzdem besteht mit Sicherheit Verbesserungsbedarf, wie es auch Möglichkeiten gibt die Ausbildung der Schüler zu verbessern.
Kritik und im Besonderen konstruktive Kritik sind richtig und wichtig, damit sich etwas ändert. Was jedoch müßig ist, ist die ständige Klage, dass die soziale Herkunft über den Schulerfolg entscheide. Die Schlussfolgerung wäre, dass es keine Chancengleichheit gibt. Dazu werden eine Reihe von Begriffen genannt, die mehr verwirren und von der Realität ablenken, wie zum Beispiel, Arbeiterkinder und Gleichheit bzw. Chancengleichheit.
Es mag als Tatsache sicher stimmen, dass die soziale Herkunft ein Indiz für die schulischen Erfolge sein kann. Aber das heißt nicht, dass schulischer Erfolg unmöglich ist und schon gar nicht, dass er verhindert wird. Das deutsche Schulsystem versucht, zum Beispiel, durch die Dreiteilung jeden Schüler best möglich zu fördern und auf deren Bedürfnisse zu reagieren. Damit soll auch der sozialen Herkunft Rechnung gezollt werden. Die soziale Realität ändert sich aber stetig, was ein perfektes Schulsystem zur Utopie werden lässt.
Was die Chancengleichheit betrifft, die wird zu Recht gefordert, aber sollte nicht damit verwechselt werden, dass bestimmte Personengruppen eine Sonderbehandlung fordern können. Jeder Mensch ist ein Individuum, darauf sind wir in der westlichen Kultur stolz. Dementsprechend unterscheiden wir uns voneinander und das heißt, dass wir eben nicht gleich sind. Gleichheit und Chancengleichheit ihrerseits bedeuten zunächst, dass an jeden die gleichen An-Forderungen gestellt werden und dann, dass mit dem gleichen Maß gemessen wird, und dann auch, dass jedem die gleiche Förderung zugute kommt. Das heißt aber nicht, dass bestimmte Personen oder Gruppen eine andere Behandlung bekommen oder bekommen müssen! Das kann ihnen gewährt werden, ist dann aber eine Benachteiligung derer, die dies nicht erhalten. Von Gleichheit und Chancengleichheit kann man in diesem Zusammenhang sicher nicht sprechen. Richtig wäre es dies als Fördersystem für die Schwächeren zu bezeichnen.
Heute ist es leider oft so, dass Förderungen und Sonderleistungen gefordert, ohne dass dies als eine Extraleistung gesehen würde, sondern als Recht oder Pflicht der Anderen. Im deutschen Sprachgebrauch nennt man das Undankbarkeit.
In einem Interview im Deutschland Radio Kultur hat der Erziehungshistoriker Heinz-Elmar Tenorth bezüglich der Chancenungleichheit auf Grund von sozialer Herkunft am Donnerstag den 24. Juni 2010 gesagt: „(…) Das erste ist, und das wird ja häufig als der besondere Skandal empfunden: Lehrer beurteilen bei der Übergangsempfehlung von der Grundschule auf die höhere Schule die Chancen von Arbeiterkindern häufig ganz realistisch als weniger gut und geben dann weniger häufig und weniger leicht eine Empfehlung für den Übergang aus. (…) Das ist ein Grund – ein Lehrerurteil. Ein zweiter Grund ist tatsächlich, dass die Aspirationen, also die Erwartungen, die Kinder aus solchen Familien haben und die die Eltern aus solchen Familien haben, häufig gar nicht so weit gehen, dass sie eine Gymnasialkarriere wählen. (…) – zum Teil ja durchaus realistisch. Der dritte Grund, der dabei eine Rolle spielt, besteht auch darin, dass man häufig in den höheren Schulen auf thematische und inhaltliche Vorkenntnisse setzt, die in diesen Milieus wenig verbreitet sind. Und so kommen neben pädagogisch professionellen, institutionellen und milieuhaften Gründen ganz viele zusammen, die dann schließlich diesen schlechten Wert ergeben, den wir kennen.“
Tenorth gibt drei Gründe an und bewertet sie als zutreffend und gerechtfertigt, die Lehrer beurteilen die Chancen richtig, die Eltern und Schüler wollen gar nicht mehr und sie können auch nicht mehr. Zudem bestätigt er, dass allen Kindern durchaus alle Türen offen stehen.
Wo ist also das Problem der sozialen Herkunft? Das hat er umgangen, denn die Arbeiterkinder, wenn es sie überhaupt noch gibt, was stark zu bezweifeln ist, sind und haben kein Problem. Was er nicht sagt, ist dass das Problem Schüler sind, die ein Bildungsangebot angeboten bekommen, es aber nicht annehmen oder annehmen können und somit aus dem System fallen, weil sie als Folge nicht die geforderten Leistungen zu erbringen vermögen. Diese Schüler sind das Problem und haben ein Problem, das behoben werden muss.
Richtig ist sicher, dass der Erfolg eines Schülers auf verschiedene Aspekte zurückzuführen ist, das heißt, die Voraussetzungen des Schülers – Familie und Milieu sind sicher entscheidend, die Bildungseinrichtung bzw. Schule und Lehrer als auch der Wille des Schülers. Diese Aspekte können beeinflusst werden oder verschwimmen, aber sie können nicht aufgehoben werden.
Ein Schüler, der keinen Sinn in dem sieht, was er tun soll, wird weniger erfolgreich sein, als ein motivierter Schüler. Wer vom Elternhaus vermittelt bekommt, dass Leistung erbracht werden muss und nicht von anderen erbracht werden kann, wird sie selbst erbringen und nicht von anderen fordern. Hilfe benötigen alle und das Angebot zu gewährleisten, ist die Pflicht der Schule und Gesellschaft. Bildung ist ein Gemeinschaftswerk von Familie, Gesellschaft und Schule, einer allein kann es nicht stemmen.